Karlsruhe, 23.11.2021 - Kaum eine Branche, die auch nur im Ansatz mit Elektronik zu tun hat, bleibt aktuell von der Mikrochip-Krise verschont, denn in nahezu jedem elektronischen Gerät sind die essentiellen Kleinteile verbaut. Man könnte vielleicht vermuten, dass der ITK-Channel, der quasi „an der Quelle” sitzt, nicht ganz so stark von den aktuellen Engpässen betroffen ist - doch dem ist ganz und gar nicht so.
Schon vor einigen Monaten zeigten Analysen der ITscope-Plattform, dass der Chip-Mangel den Channel alles andere als unberührt lässt. Diesmal wollten wir es aber genau wissen: Im Rahmen einer Umfrage haben wir herausgefunden, wie sich der Chip-Mangel darstellt und vor welchen Herausforderungen der Channel steht.
70 Systemhäuser, Reseller, Distributoren, Hersteller und Managed Service Provider haben an der Umfrage teilgenommen. Bei der Frage, ob der Chip-Mangel den Channel beeinträchtigt, sind die Teilnehmenden sich sehr einig: 86% sehen den Channel stark beeinträchtigt.
In Bezug auf das eigene Geschäft geben darüber hinaus mehr als 60% der Teilnehmenden eine starke Beeinträchtigung an. Nahezu alle Teilnehmenden, die eine Beeinträchtigung wahrnehmen, sehen den Vertrieb als den am stärksten betroffenen Fachbereich wahr. An zweiter Stelle (Mehrfachnennungen waren möglich) folgt mit rund 80% der Einkauf.
Lange Lieferzeiten bei kaum verfügbaren Waren
Wenig überraschend fallen demnach auch die Antworten auf die Frage aus, wie sich der Chip-Mangel bemerkbar macht. Lange Lieferzeiten und sehr begrenzte bis überhaupt keine Warenverfügbarkeit sind das Hauptproblem der Situation. Aufträge können nicht erfüllt werden und bei steigenden Einkaufspreisen sind die Verkaufszahlen rückläufig.
Ganz abgesehen von der Kundenzufriedenheit, die bei allem Verständnis natürlich extrem leidet: Laut unserer Umfrage sind die Reaktionen der jeweiligen Endkunden teilweise noch gelassen, doch zunehmend wächst die Ungeduld und Frustration. Systemhäuser müssen Projekte verschieben, weil sie keine Zusage über Stückzahl oder Liefertermin seitens der Hersteller bekommen - und das drückt nicht nur massiv auf den Umsatz, sondern auch auf die Laune der Kunden. Diese wiederum weichen auf alternative Produkte aus, stornieren nicht lieferbare Bestellungen oder treten direkt ganz aus dem Vertrag zurück und versuchen bei anderen Anbietern ihr Glück. „Zufrieden sind unsere Kunden mit der jetzigen Situation natürlich nicht, das ist ganz klar. Aber trotz allem ist Verständnis da, dass aktuell wirklich nichts verfügbar ist und wir die Ware auch nicht einfach hervorzaubern können”, beschreibt Dennis Weimer von der You Logic AG die Situation.
Hamsterkäufe, refurbished Ware - und nicht zuletzt Kommunikation
Mit ganz unterschiedlichen Maßnahmen versucht der Channel derzeit, dem Chip-Mangel zumindest etwas entgegenzuwirken beziehungsweise entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Es wird auf Vorrat gekauft, sofern Produkte vorhanden sind (und dafür gerne auch mehr bezahlt) und auf alternative oder generalüberholte Produkte oder gleich ganz neue Lieferquellen ausgewichen. Doch auch der Markt für wiederaufbereitete Produkte steht momentan unter extremem Druck, erklärt Sebastian Wundrack von der Cybertrading GmbH, ein internationales IT-Hardware Handelsunternehmen mit Fokus auf IT-Remarketing: „Speziell große Anbieter schwenken gerade auf refurbished Hardware um, kaufen Restbestände auf und gleichzeitig bleiben Produkte, die unter normalen Umständen aussortiert und dem Refurbished-Markt zugeführt werden würden, weiter in Benutzung. Es kommen weniger „neue” Gebrauchtwaren nach und der Markt für generalüberholte Produkte leert sich mehr und mehr.”
Viele Systemhäuser nutzen in der aktuellen Zeit auch ITscope verstärkt, um sich einen Überblick zu alternativen Produkten und Lieferquellen zu verschaffen und Artikel aus dem Refurbished-Segment von der Plattform zu beziehen. Kommunikation mit den Kunden ist laut den Teilnehmenden für eine funktionierende Geschäftsbeziehung ebenfalls enorm wichtig - insbesondere in Krisenzeiten: „Reden, mehr kann man nicht machen. Müssen ja alle hinnehmen,” wird es treffend in der Umfrage beschrieben.
Lieferschwierigkeiten überall
99% der Befragten geben an, aktuell aufgrund der Chip-Knappheit von Lieferschwierigkeiten konfrontiert zu sein. Bei vielen gilt das für das gesamte Portfolio, auf Produktebene sind Notebooks, Monitore, Drucker, PC-Systeme, Server, CPUs und Grafikkarten besonders stark betroffen.
„In so gut wie allen Bereichen herrschen drastische Lieferschwierigkeiten. Auch ich habe mit extremen Umsatzeinbrüchen zu kämpfen und sehe kleinere Mitbewerber langsam wegbrechen, pleitegehen. Wenn ich aber doch etwas bekomme, gibt es zumindest keine Diskussionen wegen des Preises - innerhalb kürzester Zeit finde ich auch für höherpreisige Produkte dankbare Abnehmer”, sagt Matthias Hof von der HOF Electronic Service GmbH.
Wenig rosig sieht demnach auch der Blick in die Zukunft aus: Die Mehrheit vermutet, dass der Chip-Mangel noch bis mindestens Mitte oder Ende 2022 andauern wird, ein Drittel geht sogar davon aus, dass die Krise den Channel noch bis ins Jahr 2023 beschäftigen wird.
Insgesamt sieht auch das erwartete Szenario für die nächsten Monate eher düster aus: „Für viele Systemhäuser, VARs und Distributoren sind Hardware-Projekte ein wichtiges Standbein. Den fehlenden oder verzögerten Umsatz beziehungsweise Gewinn zu kompensieren wird nicht leicht”, so ein Umfrage-Teilnehmer. Aber es sind auch optimistische Stimmen dabei: „Alle haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wir sehen positiv in die Zukunft!”
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